Einleitung
Die finale Phase des Cannabis-Anbaus beginnt nicht mit dem letzten Gießen, sondern mit dem präzisen Verständnis über das Ernten, Trocknen und Aushärten der Pflanze. Diese drei aufeinanderfolgenden Prozesse entscheiden maßgeblich über die Qualität, das Aroma, die Wirkung und die Haltbarkeit der gewonnenen Blüten. Selbst bei perfekter Aufzucht können Fehler in dieser Phase die Arbeit von Wochen zunichtemachen.
In diesem umfassenden Leitfaden werden alle essenziellen Schritte detailliert behandelt – von der Wahl des richtigen Erntezeitpunkts über die optimale Trocknung bis hin zur professionellen Lagerung und Veredelung (Curing) der Blüten. Ziel ist es, ein tiefes Verständnis dafür zu schaffen, wie sich die Qualität des Endprodukts aktiv beeinflussen lässt.
Wann ist die richtige Zeit zum Ernten?
Der optimale Erntezeitpunkt ist entscheidend für die Potenz, Wirkung und das Aromaprofil des Cannabis. Zu früh geerntete Pflanzen enthalten oft unausgereifte Cannabinoide und schmecken „grün“ oder grasartig. Zu spät geerntete Pflanzen entwickeln hingegen ein erhöhtes Risiko für Schimmelbildung und verlieren an psychoaktiver Wirkung.
Beobachtung der Trichome
Trichome, die harzgefüllten Drüsenhaare auf den Blüten, sind der zuverlässigste Indikator für den Reifegrad der Pflanze. Mithilfe einer Lupe oder eines Mikroskops (empfohlen: 60- bis 100-fache Vergrößerung) lassen sich die Trichome analysieren.
- Klar und durchsichtig: Pflanze ist noch nicht reif.
- Milchig-trüb: Höchste THC-Konzentration, ideal für euphorische Wirkung.
- Bernsteinfarben: THC beginnt sich zu zersetzen, die Wirkung wird beruhigender und körperlastiger.

Je nach gewünschter Wirkung kann der Erntezeitpunkt also variiert werden.
Weitere Reifeindikatoren
- Pistillen (Blütenhärchen): Sind 70–90 % der Pistillen braun oder orange verfärbt, ist die Pflanze meistens erntereif.
- Laubfarbe: Die großen Fächerblätter beginnen sich gelblich zu verfärben – ein Zeichen, dass der Nährstoffverbrauch abgeschlossen ist.
- Geruch: Der Geruch der Pflanze wird intensiver und komplexer.
Wie erntet man Cannabis richtig?
Eine saubere und systematische Ernte ist essenziell, um die Qualität der Blüten zu erhalten. Mechanische Einflüsse, unsauberes Werkzeug oder falsche Handhabung können Trichome zerstören oder Schimmelbildung begünstigen.
Vorbereitung
- Arbeitsumgebung reinigen
- Schneidwerkzeuge desinfizieren
- Handschuhe tragen (Vermeidung von Kontamination durch Hautfett)
- Schattenreiche Arbeitsumgebung wählen (UV-Licht zersetzt Cannabinoide)
Erntemethoden
Es gibt grundsätzlich zwei gängige Methoden:
Ganzpflanzen-Ernte
Die gesamte Pflanze wird inklusive Stamm und Wurzeln aus dem Medium entfernt und kopfüber aufgehängt. Diese Methode sorgt für eine langsame, gleichmäßige Trocknung, da die Feuchtigkeit aus Stamm und Ästen länger in den Buds gehalten wird.
Astweise Ernte
Einzelne Äste mit Blüten werden separat geschnitten und aufgehängt. Diese Methode erlaubt es, unterschiedlich reife Teile getrennt zu behandeln und ist in feuchter Umgebung vorteilhafter.
Was passiert direkt nach der Ernte?
Nach dem Schneiden müssen die Pflanzen zügig in eine geeignete Umgebung zur Trocknung überführt werden. Die Gefahr von Schimmel ist in dieser Phase besonders hoch, da das Pflanzenmaterial noch sehr feucht ist.
Entfernen der großen Blätter
Unmittelbar nach dem Schneiden werden die großen Fächerblätter (Fan Leaves) entfernt, um den Trocknungsprozess zu beschleunigen und die Luftzirkulation zu verbessern. Dieser Schritt erfolgt unabhängig von der Trimm-Methode.
Trimming – Nass oder Trocken?
Das Trimmen beschreibt das Entfernen der kleinen Blätter (Sugar Leaves) rund um die Blüte, um die Form zu verbessern, den Geschmack zu optimieren und überschüssiges Pflanzenmaterial zu entfernen. Man unterscheidet zwischen zwei Methoden: Nass-Trimming und Trocken-Trimming.
Nass-Trimming (Wet Trim)
Beim Nass-Trimmen wird das überschüssige Blattmaterial direkt nach der Ernte entfernt – also bevor die Pflanze getrocknet wird.
Ablauf:
- Pflanze oder Äste direkt nach der Ernte auf den Trimmtisch legen.
- Mit einer scharfen Trimm-Schere die kleinen Blätter rund um die Buds entfernen.
- Danach werden die getrimmten Blüten zum Trocknen aufgehängt oder auf einem Netz ausgelegt.
Vorteile:
- Schneller Trocknungsprozess durch weniger Blattmaterial.
- Einfacheres Schneiden, da die Blätter noch nicht eingetrocknet und geschrumpft sind.
- Reduziertes Schimmelrisiko in feuchten Umgebungen.
- Besser geeignet für hohe Luftfeuchtigkeit oder dicht gewachsene Pflanzen.
Nachteile:
- Klebriger und harziger Arbeitsprozess, da frisches Harz intensiver ist.
- Höheres Risiko, Trichome mechanisch zu beschädigen.
- Aroma kann schneller verloren gehen, wenn nicht korrekt getrocknet wird.
Trocken-Trimming (Dry Trim)
Beim Trocken-Trimmen wird die Pflanze zunächst vollständig oder teilweise getrocknet, bevor das Blattmaterial entfernt wird.
Ablauf:
- Pflanze oder Äste werden unbeschnitten (nur ohne große Fan Leaves) aufgehängt.
- Nach etwa 7–14 Tagen – wenn der Stängel „knackt“ – wird das getrocknete Blattmaterial entfernt.
- Die Blätter sind nun hart und spröde, das Trimmen erfordert Präzision.
Vorteile:
- Schonender Umgang mit Trichomen, da diese nun fest sitzen.
- Stärkeres Aroma, da die Trocknung langsamer verläuft.
- Weniger Geruchsverlust während der Trocknung.
Nachteile:
- Trockene Blätter können brüchig und schwer zu schneiden sein.
- Aufwendigerer und zeitintensiverer Trimmprozess.
- Höheres Schimmelrisiko bei zu hoher Luftfeuchtigkeit während der Trocknung.
Direkter Vergleich: Nass vs. Trocken
| Merkmal | Nass-Trimming | Trocken-Trimming |
|---|---|---|
| Zeitpunkt | Direkt nach der Ernte | Nach vollständiger Trocknung |
| Schwierigkeit | Leicht bis mittel | Mittel bis hoch |
| Schimmelgefahr | Geringer | Höher (bei falscher Trocknung) |
| Erhalt der Trichome | Weniger schonend | Schonender |
| Aroma | Weniger intensiv | Intensiver |
| Arbeitsaufwand | Weniger | Mehr |
| Umgebungstemperatur | Weniger sensibel | Höhere Anforderungen |
| Geeignet für | Feuchte Umgebungen | Trockene, kontrollierte Umgebungen |
Trocknung: Der erste Schritt zur Qualität
Die Trocknung ist mehr als das Entziehen von Wasser – sie ist der Startpunkt zur Reifung und Veredelung der Cannabinoid- und Terpenstruktur.
Optimale Bedingungen
- Temperatur: 18–21 °C
- Relative Luftfeuchtigkeit (RLF): 50–60 %
- Lüftung: Regelmäßige Luftzirkulation, keine direkte Belüftung auf das Pflanzenmaterial
- Lichtverhältnisse: Dunkelheit oder gedämpftes Licht (UV-Strahlung zerstört THC)
Dauer der Trocknung
Je nach Bud-Struktur, Luftfeuchtigkeit und Umgebungstemperatur dauert die Trocknung in der Regel 7 bis 14 Tage. Dichte Blüten benötigen in der Regel mehr Zeit als lockere.
Die Knack-Methode: Der Trocknungstest
Ein traditioneller, aber effektiver Test zur Bestimmung des Trocknungsgrades ist die sogenannte „Knack-Methode“.
Vorgehen:
- Ein kleiner Blütenzweig wird vorsichtig gebogen.
- Wenn er sich noch biegt, ist die Trocknung nicht abgeschlossen.
- Wenn er knackt und bricht, ist der äußere Feuchtigkeitsgehalt niedrig genug für das Curing.
Dabei ist zu beachten: Eine zu frühe Lagerung kann zu Schimmel führen, eine zu späte Trocknung wiederum kann Terpene kosten.
Glas oder Beutel? Die Wahl des richtigen Lagerbehälters
Nach der Trocknung beginnt der Prozess des Aushärtens. Die Wahl des geeigneten Behältnisses hat entscheidenden Einfluss auf Feuchtigkeit, Terpenhaushalt und Aromaschutz.
Glasbehälter
Klassische Einmachgläser mit luftdichtem Verschluss sind eine bewährte Methode.
Vorteile:
- Wiederverwendbar
- Luftdicht verschließbar
- Keine Wechselwirkungen mit Harzen
- Aromaschonend bei korrekter Lagerung
Nachteile:
- Erfordern manuelles Burping
- Kein Schutz vor UV-Strahlung (außer UV-Glas)
TerpLoc-Beutel
Moderne TerpLoc-Beutel bestehen aus mehreren Schichten, die speziell für den Cannabis-Lagerprozess entwickelt wurden.
Vorteile:
- Semi-permeable Membran für kontrollierten Gasaustausch
- Automatische Regulierung von Feuchtigkeit
- Schutz vor UV-Strahlung
- Geruchssicher
Nachteile:
- Kostenintensiver als Glas
- Kein direkter Einblick in das Produkt möglich
Fazit
Für professionelle Anwendungen und große Mengen sind TerpLoc-Beutel vorteilhaft. Für private Grower mit kleineren Mengen bleibt das Glas eine kostengünstige, sichere Methode.
Was ist Aushärten? (Curing)
Aushärten, international als Curing bezeichnet, ist ein kontrollierter Reifeprozess über mehrere Wochen. Ziel ist es, Restfeuchtigkeit gleichmäßig zu verteilen, das Aromaprofil zu entwickeln, Chlorophyll abzubauen und das Mikrobiom der Blüten zu stabilisieren.
Was passiert beim Curing?
- Abbau von Chlorophyll → weniger „kratziger“ Rauch
- Umwandlung nicht-aktiver Cannabinoide in wirksame Formen
- Stabilisierung von Terpenen
- Verhinderung von Schimmelbildung bei optimaler RLF
- Entwicklung eines komplexeren Aromaprofils
Wie führt man das Curing korrekt durch?
Schritte des Curing-Prozesses
- Befüllen der Gläser oder Beutel:
- Buds locker einfüllen
- Max. 75 % des Volumens belegen
- Überwachung der Luftfeuchtigkeit:
- Ideal: 58–62 % RLF
- Einsatz von Hygrometern empfohlen
- Burping (manuelles Lüften):
- Woche 1: Zwei Mal täglich für 10 Minuten öffnen
- Woche 2–3: Einmal täglich lüften
- Ab Woche 4: 1–2 mal pro Woche
- Dauer:
- Mindestdauer: 2 Wochen
- Optimal: 4–8 Wochen
- Bei speziellen Sorten: bis zu 12 Wochen möglich
Aushärten oder Curing – Unterschied?
Im deutschsprachigen Raum wird meist von „Aushärten“ gesprochen, während im internationalen Kontext der Begriff „Curing“ verwendet wird. Technisch und inhaltlich gibt es keinen Unterschied. Beide Begriffe bezeichnen denselben Reifeprozess.
Zusammenfassung: Der optimale Ablauf
| Phase | Maßnahme |
|---|
| Erntezeit | Trichome analysieren, 70–90 % braune Pistillen |
| Schneiden | Astweise oder Ganzpflanze, sauber arbeiten |
| Trocknen | 18–21 °C, 50–60 % RLF, 7–14 Tage |
| Trocknungsgrad | Knacktest durchführen |
| Lagerung | Glas oder TerpLoc, nicht zu früh verschließen |
| Curing | 4–8 Wochen, 58–62 % RLF, regelmäßig lüften |
Schlusswort
Der Weg zu hochwertigem Cannabis endet nicht mit der Ernte – er beginnt dort erst richtig. Wer bereit ist, Zeit, Sorgfalt und Wissen in die Phasen der Trocknung und Aushärtung zu investieren, wird mit einem Produkt belohnt, das geschmacklich, aromatisch und in seiner Wirkung höchsten Ansprüchen genügt. Mit diesem Leitfaden steht dir nun das notwendige Fachwissen zur Verfügung, um deine Ernte auf ein professionelles Niveau zu heben.
Wie beginne ich meine Reise? Hier wird es erklärt.
Hier gibt es dazu einige gute Bilder und Erläuterungen.
Letzte Bearbeitung am Samstag, 3. Mai 2025 – 17:27 Uhr von Andi, Cannabis Experte von Alvar Flame.




